In Anknüpfung unserer Irland-Tournée im Jahre 2013, reiste das Ensemble in der letzten Aprilwoche, zu vier Camphill Communitys, die sich sowohl in Nordirland, also zum vereinigten Königreich gehörend, als auch im südlichen Teil, der der Europäischen Union angehört, befanden.
Auf dem Weg von der Metropole Dublin hoch nach Holywood zu unserem ersten Aufführungsort in Richtung Belfast, machten wir einen Zwischenhalt in New Grange, einer 5000 Jahre alten Kultstätte der Megalithkultur. Zur Wintersonnenwende fällt in deren kreisrunden Hügelgrab am 21.12. ein Sonnenstrahl durch die Öffnung über dem Eingangstor, und erhellt so mit Licht das Innerste, Dunkelste der Grabstätte.
Dank der grossen warmen Meeresströmung hatte sich noch vor jeder menschlichen Besiedlung eine Robbenkolonie an der Bucht von Holywood niedergelassen. Robben tummeln sich auch heute noch bei Ebbe auf den Felsen vor dem Sitz der Glencraig Community. Wie bei allen Camphills bewegt das christliche Gemeinschaftsprinzip nicht mehr zur Mitarbeit, sondern die Mehrheit der Mitarbeitenden sind Angestellte, was zu ganz anderen Verabredungsstrukturen geführt hat. Das schulische Integrationssystem von Behinderten in Irland überantwortet den Camphills immer mehr bereits sozial entglittene, überforderte, agressive Teenager, die nicht mehr in der Gruppe zu führen sind, sondern alle eine eigene Wohnung und ein ganzes Team von Betreuern rund um die Uhr benötigen. Eine Fehlentwicklung und Tendenz, die man auch bei uns kennt.
«Prometheus and the Fire of Life», das indische Märchen «Bhakta Dhruva» und als drittes englischsprachiges Programm «The Legend of Saint Odilia» kamen in der Kaspar Hauser-Hall stimmungsvoll zur Aufführung.
Gerade das Werden und Wirken dieser Heiligen Frau konnte nur durch die irischstämmigen Mönche und deren Einfluss auf die Christianisierung Europas gedeihen. Rudolf Steiner nennt Irland*dasjenige Stück Erde, das im vierten nachatlantischen Zeitraum keinen Anteil an Luzifer hatte, sondern noch vor dessen Menschheitsversuchung als Schlange ein Abbild des Paradieses auf der Erde gebildet hat.
Auf der nächsten Wegstrecke lag Tara, dem frei zugänglichen Weiheort der irischen Hochkönige, einer Erdanlage mit Ringwall und verstecktem Ganggrab, von wo aus sich die prächtige, grüne Heckenlandschaft nach allen Seiten erstreckte. «The Words of Tara», Schutzworte, geschrieben auf der Brustplatte des Inselheiligen St. Patrick, bildeten Teil unseres Programms: in Anrufung der Elemente, sind sie dazu bestimmt, das Böse abzuhalten.
In der nächsten Community Mourne Grange bei Kilkeel, feierten wir das «Fest des Augenblicks», einer besonders gelungenen Aufführung, die uns mit den mehrheitlich betagten Bewohnern «Eins» sein liessen. Vielleicht war es der Effort, den wir alle an den Tag legten, um diese äusserlich sehr zurückgebundenen Behinderten zu erreichen.
Manche Küstenabschnitte Irlands sind so, als hätten die Wellen des Meeres dem Land nun die Aufgabe übergeben, im Festen das Wogen fortzusetzen: hoch- und niederschwingende Hügelrücken rhythmisieren die Landschaft, Schafherden setzen weisse Akzente.
Im Camphill von Callan Ballytobin waren wir mitbetroffen von der schikanösen Regulierungsflut, der die Irischen Camphills zurzeit ausgesetzt sind. Aus feuertechnischen Gründen konnten wir die wunderschön gestaltete und absolut brandsichere Hall nicht benutzen, und wichen improvisiert in den Saal eines Kleintheaters aus. Die auf die Spitze getriebenen, bürokratischen Sicherheitsbedenken sind ahrimanisch inspiriert und attackieren auf vielen Ebenen, den für die gelungene menschliche Entwicklung notwendigen Freiraum. Eine spätere Führung durch die Ballytobin Hall mit ihrem Sakralraum, ihren Baumstamm-säulen, den Farblichtfenstern, und mit wertvollen Musikinstrumenten, berührte uns tief.
Mit der Fahrt über Land, vorbei an einigen Irischen Hochkreuzen, erreichten wir die Ballybay Community in ländlicher Umgebung. Dank mitgebrachtem pflanzengefärbtem Prospekt und Bodentuch, konnten wir auch diesem Aufführungsraum seine eigene künstlerische Realität verleihen. Nach dieser achten und letzten Aufführung verbrachten einige von uns den freien Nachmittag in Dublin.
In dem 1592 von Königin Elisabeth gegründeten Trinity College befindet sich in der Bibliothek das berühmte Book of Kells, einer reich verzierten Abschrift des lateinischen Textes der vier Evangelien. Anfangs des neunten Jahrhunderts hatten Mönche als Schreiber auf der Insel Iona, vor der Westküste Schottlands gelegen, begonnen, das Buch anzulegen. Es wird seit langer Zeit in Verbindung gebracht mit dem Heiligen Colum Cille. Ein Raubzug der Wikinger forderte das Leben von 68 Mönchen und brachte das Buch in die irische Grafschaft Meath, nach Kells. Erst zur Cromwellschen Zeit im 17. Jahrhundert gelangte es aus Sicherheitsgründen nach Dublin ins Trinity College.
Mit der Ausstellung «Die Finsternis in Licht verwandeln» rundete sich der Kreis, in den sich unser Odilienprogramm auf dieser Irlandtournèe geschichtlich nahtlos eingefügt hatte.
Gabriela Maria Gerber, Sprachgestalterin
*GA 178, Individuelle Geistwesen und einheitlicher Weltengrund, Dornach, Zweiter Vortrag vom 19. November 1917